Burgen,
Bäume, Feuer, Tee.
Niemand
stürmt meinen Ritterturm!
Er fliegt
davon, wenn's regnet
mit der
Kette, die er um den Hals trägt.
Da
fliegen die Ziegel meiner Wünsche!
Mein
Schutzwall steht fest.
Baut mir
keinen Hopfen an.
Er
verdorrt, bevor ich noch die Zeit habe daraus mein Bier zu brauen.
Gerade
ein Fleckchen, auf das ich achten kann.
Ich wart'
jedoch im Kornfeld, wo der Wind auf meiner Haut sticht und meine Hände taub
werden.
Doch auf
eine gewisse Art mag ich es zu frieren.
Hier
stehe ich bis die Dunkelheit mich einhüllt, damit ich mich nicht verstecken
muss und warte bis mein Tee gezogen ist und ich das Feuer in der Ferne seh'. (10)
Zwiespältiges Sein,
nebliges Gewissen
Hier
bin ich von Neuem. Vor mir die Tiefe, hinter mir die Toten. Und ich auf der
Mauer, die mir so vertraut das Hinterteil kühlt und den Nebel meiner Sinne
etwas lichter macht. Da sitze ich also, meinen Ängsten auf der Lauer. Dort
unten sind sie schon wieder. Wahrscheinlich beraten sie sich darüber, wie sie
mir am besten das Leben schwer machen können. Ha! Nicht mit mir, ihr
ungeselligen Figuren! Ab heute nicht mehr. Ich schlage die Beine über die Mauer
und strecke meine Fußspitzen dem Abgrund entgegen, damit ich die Ängste besser
im Visier habe. Perfekt! So schnell bewegen sich die nicht vom Fleck. Das wäre
meine Chance. Doch würde ich mich aus meiner obigen Position auf sie stürzen,
liefe ich Gefahr, mich beim Aufprall ordentlich zu verletzen oder Schlimmeres.
Ich überlege, horche in die Stille hinein. Ziemlich ausgestorben ist der Platz
heute. Nur ein, zwei weitere Nachtschattengewächse aus Fleisch und Knochen
treiben sich in der Gegend herum und hoffen darauf, bei Mondschein zu reifen.
Ich höre, wie der Korken einer Weinflasche blopt, und sich die Gestalten über
Vergänglichkeit und Filme unterhalten, doch ihre Stimmen verhallen wieder. Ich
drehe mich um und betrachte für einen Augenblick die Kirche, vor der ich mich
befinde. Neben ihr liegt die Gruft mit ihren Gebeinen, die seelenruhig die
komische Welt belauschen und darauf warten, dass Staub zu Staub zerfällt. Ich
drehe mich zurück und komme ins Wanken. Ups! „Du weißt, dass du herunter fallen
kannst “, heißt es immer, wenn ich nicht allein hier bin. „Ich weiß, Freund,
ich weiß“, denke ich mir. „Darum sitze ich ja hier. Ich will meine Grenzen
direkt vor Augen haben.“ Und heute auch die Ängste. Ich fixiere sie wieder.
Sehr gut, sie haben sich kein Stück bewegt. Ich bin im Zwiespalt, schon wieder.
Soll ich sie jetzt angreifen und alles riskieren? Vielleicht fangen sie mich ja
reflexartig auf. Soll's geben. Oder ich suche mir einen alternativen Weg, schleiche
mich anders an sie heran. Aber das bemerken sie womöglich, und dann bin ich
sowieso geliefert. Auf einmal steht jemand hinter mir, der meinen Gedankenfluss
unterbricht. Ich schaue über meine Schulter. Aha, ein Kind. Ein Kind? Ich drehe
mich um zu ihm. Es schaut bedrückt und weint. „Hey, warum weinst du?“, frage
ich es. „Komm und spiel mit mir, ich bin so traurig“, antwortet es. Den Satz
kenne ich doch irgendwoher. „Und warum bist du traurig?“, will ich wissen. „Weil ich Angst habe“ „Wovor denn?“ „Vor
denen.“ Das Kind beugt sich über die Mauer und zeigt in den Abgrund, aus
welchem uns Schatten und Lichteraugen anstarren. Es muss sich ziemlich
strecken, um über die Mauer sehen zu können. Dieses Wesen ist so winzig. Bin
ich denn schon so groß? Zuerst verstehe ich nicht, was das Kind meint. Dann
erkenne ich, dass es auf die Versammlung der unholden Emotionen zeigt. Was? Das
sind doch meine Ängste. Ich bin zu verdattert, um auf die Idee zu kommen, dem
Kind zu erklären, dass es sich vor ihnen nicht zu fürchten braucht, da sie ja
von ihm nichts wollen. Es fragt noch einmal, ob ich mit ihm spielen würde.
„Okay“, meine ich, „spielen wir.“ Das Kind scheint sich beruhigt zu haben und
setzt sich zu mir auf die Mauer. „Nicht 'runterfallen!“, sage ich. Es wischt sich
die Tränen ab und lässt die Beine baumeln. Ich lasse es nicht aus den Augen. Es
schaut sich mit wehmütigem Blicke um und stößt einen leisen Seufzer aus. Ich
will es gerade frage, was es spielen will, da wirft es sich aus heiterem Himmel
in den Abgrund hinab, meinen Ängsten direkt in die Arme. Aaaah! Was macht es
denn? Ich starre mit Entsetzen auf die Stelle neben mir, wo das Kind gerade
noch gesessen hat. Schon höre ich die Toten hinter meinem Rücken jubeln und mit
ihren knochigen Fingern in die Hände klatschen. Fuck! Haltet die Klappe, ihr
Herzlosen! Panik und Schuldgefühle beherrschen mich. Ich wage nicht, in den
Abgrund zu schauen, doch da ich das Kind nicht festgehalten habe, gebührt es
mir zu sehen, in wie viele Stücke es den kleinen Menschen zerrissen hat. Gott,
was ging nur vor in diesem Kind? Schließlich blicke ich zittrig in die Tiefe.
Da steht es, das Kind. Es steht? Es lebt! Alle Anspannung löst sich von mir. Am
liebsten würde ich heulen, aber es ist zu wirklich, um zu weinen, nicht wie im
Kino. Ich kann mein Glück kaum fassen. Dem Kind geht es gut. Nicht einmal ein
gebrochenes Bein. Es blickt tapfer zu mir empor. Dann nimmt es meine Ängste bei
der Hand und führt sie fort, bis es mit ihnen im Dunkeln verschwindet. Ich will
ihm etwas zurufen, aber meine Stimme versagt. Warum geht es fort? Wieso lässt
es mich jetzt allein in meinem zwiespältigen Sein mit meinem nebligen Gewissen?(11)
Would you
make me a sword of ice
So that
it´s easier to swallow
Cause I
stayed thirsty on that rainy day.
(08)
Die
Verrücktheit, die uns vor dem Alleinsein bewahrt, bietet ein heimeliges Gefühl
und ein warmes Unheimlich sein zugleich. So vielseitig schön ist sie. Ein Zug,
der auf den Gassen vor meinem Fenster
vorbeifährt. Ein offener Seegrund, der sich auf den Verlassen Straßen vor dir
auftut. Auch ein leerer Kinosaal, der mit dir zu sprechen beginnt.
Mein
Blick wanderte zum Fenster hinaus, als ich jene Gedanken hegte. In der Nacht
konnte man den Schnee von den Dächern schmälzen hören. Dabei lag im Herbst noch
gar kein Schnee. In weiterer Ferne, am Ende der Gasse, warf die letzte Laterne
einen Schatten der Eigenart auf die Straße. Als ob jemand dastünde und mich
ansah. Fast nur hätte ich einen Geist gesehen. Einen Mann mit Hut und
altertümlichem Spazierstock. Und fast hätte er mir mit ruhiger Hand zugewinkt,
in der Einsamkeit meiner falschen Winternacht. Mag es auch nur die Einsamkeit
selbst gewesen sein. Ich winkte nicht zurück, doch nickte ich kaum merklich. Da
stahl sich ein alter Plattenspieler in meine Gedanken, der unglaublich real mir
schien, sowie für eine Sinnestäuschung grenzwertig in seiner Schönheit. Und ich
sank ins Orchester. (12)